Analyse des CCAL betreffend die Eignung von Prof. Dr. Jürgen Oelkers als neutraler Moderator beim Ausarbeiten des neuen Werteunterrichts
Der CCAL ist der Meinung, dass der Bildungswissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Oelkers kein geeigneter Moderator für die Ausarbeitung des neuen einheitlichen Werteunterrichts mit dem Namen „Leben und Gesellschaft“ ist. Die Gründe für diese Aussage werden im Folgenden erläutert:
Der Vortrag1, den Herr Oelkers am 23. März 2015 in Luxemburg bei der Vorstellung des Rahmendokuments für das neue Fach hielt, war unserer Meinung nach intellektuell und inhaltlich schwach und verriet wenig über Inhalt und Zielsetzung des neuen Faches. Allerdings ließ der Vortrag tief blicken in Bezug auf die Intentionen des vermeintlich neutralen Moderators; mehr dazu später.
Herr Oelkers widersprach öffentlich in einigen zentralen Punkten den bisherigen Aussagen von Bildungsminister Claude Meisch, was das Konzept des neuen Faches „Leben und Gesellschaft“ angeht. Das im Vortrag von Herr Oelkers präsentierte Konzept unterscheidet sich stark von dem, was die Politik vorstellte. So war beispielsweise in dem Vortrag von Herr Oelkers keine Rede mehr von „Philosophieren“, entgegen mehrmaliger klarer Aussagen von Claude Meisch, dass die Philosophie die Leitdisziplin des neuen Fachs sein werde.
Einzige Botschaft des Vortrags von Herrn Oelkers war eine gesellschaftspolitische Begründung von Schule im Allgemeinen und dem neuen Fach „Leben und Gesellschaft“ im Besonderen. Dabei sollen religiöse Ghettos vermieden werden und Migranten „an die westliche Lebensweise angepasst werden“.
Diese Begründung des neuen Faches für Luxemburg ist exakt die gleiche, wie diejenige, die Herr Oelkers in der Schweiz für das Fach „Religion und Kultur“ vorgebracht hat. Sie unterscheidet sich aber grundlegend von allen deutschen Modellen, wie sie in Berlin oder Brandenburg mit recht gutem Erfolg realisiert wurden: dort stehen pädagogische bzw. fachdidaktische Begründungen im Mittelpunkt.
Die gesellschaftspolitische Begründung von Herrn Oelkers, welche offensichtlich nichts mit der Luxemburger Realität zu tun hat, scheint sich aus seiner Forschungstätigkeit zu ergeben: in der Tat beschäftigte er sich während seiner wissenschaftlichen Laufbahn vor allem mit Reformpädagogik, Inhaltsanalysen öffentlicher Bildung, Bildungspolitik und wirkte zuletzt maßgeblich an der Einführung eines überkonfessionellen Religionsunterrichts in Zürich mit. Weitergehende Forschungen oder Publikationen außerhalb dieses Feldes sind nicht bekannt. Dabei sind es gerade die Komplexität der Philosophiedidaktik, die Fragestellung der Wertevermittlung, sowie der sinnvolle Umgang mit dem Phänomen des Religiösen, die einen ausländischen Experten bedürfen. Letztere mögen Herrn Oelkers sicher nicht fremd sein; ob man ihn jedoch als Experten bezeichnen kann, bezweifeln wir stark.
Herr Oelkers hat sowohl in seinem Vortrag wie auch in der luxemburgischen Presse Aussagen gemacht, die ihn als neutralen Moderator eindeutig disqualifizieren. Positionen welche von seiner abweichen, bezeichnet er als „Maximalpositionen“. Er zeigt sich überrascht über den Vorwurf, das Fach sei religionslastig; dabei war Religion Hauptthema seines Vortrags und das von ihm ausgearbeitete Rahmendokument erwähnt außer Religion keine anderen Themen über die Wissen vermittelt werden müsste.
Im Vortrag von Herrn Oelkers war außerdem keinerlei Rede von Konflikten und fundamentalistischen Positionen im Zusammenhang mit Religionen. Wenn Religionen ausschließlich dargestellt werden als Systeme welche Kultur prägen und Moral vermitteln, dann wird ein falsches Bild von Religionen vermittelt. Somit lässt Herr Oelkers eine informative und realitätsnahe Beschäftigung mit der Rolle der Religionen in der heutigen Welt außer Acht. Zudem fehlt es vielen verallgemeinernden Aussagen von Herrn Oelkers an der nötigen Wissenschaftlichkeit, wie z.B., dass die Unkenntnis von Religionen fundamentalistische Haltungen hervorrufe, oder dass Einwanderer automatisch eine Religion mitbringen.
Schon fast als tragikomisch zu bezeichnen ist die Tatsache, dass auch die beiden Assistenten von Herrn Oelkers, die Herren Johannes Kilchsperger und Matthias Pfeiffer, beide studierte Theologen sind. Bildungsminister Meisch hat also hier definitiv nicht die richtige Wahl getroffen.
Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass wir als CCAL auf Grund der oben vorgebrachten Argumente große Zweifel haben an der Eignung von Herrn Oelkers als Moderator der Arbeitsgruppe für das neue Fach, da er einerseits eine politische Ausrichtung in dieses Fach einbettet, die es so nicht bedarf und andererseits sein akademischer Werdegang kein tiefergehendes Verständnis von Philosophie oder Ethik vermuten lässt. Hinzu kommt, dass sich hier offenbar nur unzureichend mit der spezifischen Situation von Luxemburg auseinandergesetzt wurde, so dass man auch hier jedwede akademische Sorgfalt vermissen tut.
Als Vertreter einer Regierung, die sich die Trennung von Kirche und Staat groß auf die Fahne geschrieben hatte, täte Bildungsminister Claude Meisch gut daran, Herrn Oelkers und seine theologischen Mitarbeiter umgehend durch ein Team zu ersetzen, denen nicht daran gelegen ist, durch die Hintertür einen stark religionslastigen Einheitskurs einzuführen.